Termine und Veranstaltungen der Arbeitsstelle bzw. mit deren Unterstützung in 2024
Rückschau:
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Mittwoch 09. Oktober 2024 - 19:00 Uhr
Der Ukrainekrieg: Hintergründe und Perspektiven
Zum Vortragsabend über den „Ukrainekrieg“ hatten die Arbeitsstelle Gerechtigkeit und Frieden e.V. und die
Friedensinitiative Nottuln e.V.
gemeinsam in die Aula des St.-Antonius-Gymnasiums eingeladen. Mehr als 100 Zuhörer aus dem gesamten Kreis Coesfeld waren gekommen.
Referent: Clemens Ronnefeldt
Clemens Ronnefeldt ist seit 1992 Referent für Friedensfragen beim deutschen
Zweig des Internationalen Versöhnungsbundes,
der bei den Vereinten Nationen einen Beraterstatus hat.
Aufbau und Gliederung des Vortags:
Verhältnis Ukraine - Russland
Verhältnis NATO - Russland
Friedenszeichen in der Ukraine, Russland, Belarus
Deeskalationsansätze
Vorbemerkung:
Clemens Ronnefeldt veranschaulichte seine umfassenden Ausführungen mit zahlreichen Bildern und zusammenfassenden Texten. Die gezeigten
Vortragsfolien
sind in einer von ihm gefertigten pdf-Datei enthalten, die er anlässlich eines Vortrages am 27.04.2024 in Göttingen gefertigt hat.
Im nachfolgenden Bericht wird nur ein ausgewählter Teil davon angezeigt.
1. Verhältnis Ukraine - Russland
In seinem Vortrag ging Clemens Ronnefeldt auf das historische Verhältnis der Ukraine zur russischen Föderation ein und zeichnete die wechselvolle Geschichte
der Ukraine nach. Er nannte als eine Kriegsursache, dass dem gegenwärtigen Krieg ein lang anhaltender Beziehungs- und Identitätskonflikt zugrunde liege:
Auf die von Großfürst Wladimir 988 veranlasste Christianierung der Kiewer Rus (vorher ein lockerer Verbund von Fürstentümern auf der Handelsroute
von Nowgorod nah Süden) beziehen sich die heutigen Staaten Ukraine, Belarus und Russland gleichermaßen.
Die westlichen Teile der Ukraine standen mehrere Jahrhunderte unter polnisch-litauischer Herrschaft, die östlichen Teile waren Teil des Zarenreichs,
bevor 1922 die Ukraine Teil der UdSSR wurde.
Der so genannte „Holodomor“, bei dem ab 1931 unter Stalin von rund 7 Millionen Hungertoten alleine 3,5 Millionen Menschen in der Ukraine zu beklagen waren,
belastet bis heute das ukrainisch-russische Verhältnis.
Mit breiter Mehrheit hat die Ukraine nach dem Fall der Berliner Mauer für die staatliche Unabhängigkeit gestimmt. Gemäß „Budapester Memorandum“ übergab sie 1994
die aus Sowjetzeiten noch in der Ukraine lagernden Atomwaffen an Russland und erhielt im Gegenzug Sicherheitsgarantien der russischen Föderation, der USA und Großbritanniens.
Im OSZE-Abschlussdokument 2010 in Astana (Kasachstan) haben alle 57 Mitgliedsstaaten – darunter auch Russland, die Ukraine, die USA und Deutschland – unterschrieben,
dass alle Staaten der OSZE das Recht auf freie Bündniswahl besitzen. Allerdings verpflichteten sich in dem Dokument auch alle Länder, ihre Sicherheit nicht auf Kosten
anderer Staaten auszuweiten.
„Diese beiden in Spannung zueinander stehenden Verpflichtungen hätten von Russland und der NATO in Verhandlungen zu einem Ausgleich gebracht werden können
– bei entsprechendem politischen Willen der beteiligten Akteure“,
so der Referent.
„Der völkerrechtswidrige Überfall am 24.2.2022 auf einen souveränen Staat wie die Ukraine durch russische Invasionstruppen verstößt gegen die UN-Charta,
gegen das Pariser Abkommen von 1990 zur Unverletzlichkeit der Grenzen in Europa und gegen das Budapester Memorandum – und ist durch nichts zu rechtfertigen“,
stellte Clemens Ronnefeldt klar heraus.
2. Verhältnis NATO - Russland
Die NATO-Osterweiterung bis an die russische Grenze – entgegen mündlicher Zusagen an Präsident Gorbatschow – sowie den Grundsatzbeschluss von 2008 zur Aufnahme
auch der Ukraine und Georgiens bezeichnete der Ronnefeldt als entscheidenden „friedenspolitischen Fehler“.
George W. Bush hat gegen den Willen der Mehrheit der ukrainischen Bevölkerung, die 2008 gar nicht in die NATO wollte, diesen Beschluss forciert,
während die deutsche und die französische Regierung mit Verweis auf die großen innenpolitischen Spannungen, die diese Entscheidung nach sich ziehen würde,
gerade noch die Nennung eines Aufnahmedatums hätten verhindern können.
Die Stationierung eines NATO-Raketenabwehrsystems sowie die Entsendung von rotierenden NATO-Kampftruppen in Länder des ehemaligen Warschauer Paktes haben
das Verhältnis zu Russland dramatisch verschlechtert, ebenso wie der Kosovo-/Jugoslawienkrieg 1999 ohne UN-Mandat und der völkerrechtswidrige Irak-Krieg 2003,
an dem sich Länder des ehemaligen Warschauer Paktes mit Truppen beteiligt haben.
Der ukrainische Präsident Viktor Juschtschenko hatte sich 2008 für die Aufnahme seines Landes in die NATO ausgesprochen. Doch die Ukrainer waren davon wenig begeistert,
die meisten NATO-Gegner lebten im Osten und im Süden der Ukraine. Die NATO-Beitrittsdebatte spaltete somit die Ukraine.
Nach dem gewaltsamen Sturz des prorussischen Präsidenten Janukowitsch 2014 infolge der Maidan-Proteste, der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim
und den Kämpfen im Donbass, denen seit 2014 mehr als 14 000 Menschen zum Opfer gefallen sindn, hat eine neue „Eiszeit“ in den Ost-West-Beziehungen angefangen.
Clemens Ronnefeldt bedauerte, dass insbesondere die europäischen Staaten nicht auf die Einhaltung der beiden Abkommen Minsk I und II gedrängt hätten,
mit denen der Konflikt zumindest hätte eingefroren werden können.
In amerikanischen Kreisen gibt es Überlegungen zum Verhältnis mit dem Territorium der ehemaligen Sowjetunion einschließlich der ehemaligen Ostblockstaaten.
Ziel ist es, das Wiederauftauchen eines neuen Rivalen zu verhindern, der eine Bedrohung in der Größenordnung der früheren Sowjetunion darstellt.
Hinter der Strategie der amerikanischen Vorherrschaft stehen insbesondere auch wirtschaftliche Interessen.
Solche Interessen treffen ebenso auf andere westliche Staaten zu.
"Wenn die Ukraine zerfällt, sind die Folgekosten viel größer, als wenn wir jetzt viel stärker reingehen. Und wenn Europa die Energiewende vollziehen will,
braucht sie eigene Lithiumvorkommen.
Also wir haben hier auch ganz andere Ziele noch im Hintergrund. Und deshalb brauchen wir eine vereinte Anstrengung der Bürgerinnen und Bürger, damit unsere Politik,
die Rückendeckung hat, mehr für die Ukraine zu tun."
Auch hier gibt es in amerikanischen Kreisen Bedenken zum politischen und wirtschaftlichen Verhältnis zwischen Russland und Deutschland. In einer
Rede von Prof. George Friedman
vor dem Chicago Council am 04.02.2015 warnt er davor, dass sich das rohstoffreiche Russland und das wirtschaftlich Deutschland zum Nachteil der amerikanischen Wirtschaft
zusammenfinden; dieser Fall muss verhindert werden:
Die Urangst der USA ist, dass deutsches Kapital und deutsche Technologien sich mit russischen Rohstoffen und russischer Arbeitskraft verbünden.
Eine einzigartige Kombination, vor der die USA seit Jahrhunderten eine Höllenangst haben.
Die Ukraine ist wegen ihrer fruchtbaren Böden als die „Kornkammer Europas“ bekannt. Sie verfügt über fast 40% der weltweiten Schwarzerdevorkommen,
dem wertvollsten Ackerbodentyp. 70% des ukrainischen Territoriums bestehen aus Ackerland, 66% aus Schwarzerde oder auch Chernozem genannt.
Die Karte zeigt die wertvollen landwirtschaftlichen Flächen in der Ukraine in unterschiedlichen Brauntönen. Je dunkler die Farbe, desto höher ist der Gehalt an Schwarzerde:
Im Bericht „WAR AND THEFT - THE TAKEOVER OF UKRAINE'S AGRCULTURAL LAND"
(Krieg und Diebstahl - Die Übernahme landwirtschaftlicher Flächen in der Ukraine)
des Oakland Instituts in Kalifornien werden die finanziellen Interessen und Dynamiken aufgedeckt, die zu einer weiteren Konzentration von Land und Finanzen führen.
Die Gesamtfläche des von Oligarchen, korrupten Einzelpersonen und großen Agrarunternehmen kontrollierten Landes beträgt über neun Millionen Hektar
– das sind mehr als 28 Prozent des ukrainischen Ackerlandes. Die größten Landbesitzer sind eine Mischung aus ukrainischen Oligarchen und ausländischen Interessenten
– hauptsächlich aus Europa und Nordamerika sowie dem Staatsfonds Saudi-Arabiens.
Namhafte US-Pensionsfonds, Stiftungen und Universitätsstiftungen investieren über NCH Capital, einen in den USA ansässigen Private-Equity-Fonds.
Mehrere Agrarkonzerne, die noch immer größtenteils in der Hand von Oligarchen sind, haben sich westlichen Banken und Investmentfonds geöffnet
– darunter so namhafte wie Kopernik, BNP oder Vanguard –, die nun einen Teil ihrer Anteile kontrollieren. Die meisten Großgrundbesitzer sind bei westlichen Fonds
und Institutionen, insbesondere der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) und der Weltbank, hoch verschuldet.
Westliche Finanzierungen für die Ukraine waren in den letzten Jahren an ein drastisches Strukturanpassungsprogramm geknüpft, das Sparmaßnahmen und Privatisierungsmaßnahmen
erforderte, darunter die Schaffung eines Grundstücksmarktes für den Verkauf landwirtschaftlicher Flächen. Präsident Selenskyj setzte die Landreform 2020
gegen den Willen der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung in Kraft, die befürchtete, dass sie die Korruption verschärfen und die Kontrolle durch mächtige Interessen
im Agrarsektor verstärken würde. Die Ergebnisse des Berichts bestätigen diese Bedenken. Während Großgrundbesitzer massive Finanzierungen von westlichen Finanzinstituten
erhalten, erhalten ukrainische Landwirte – die für die Sicherstellung der inländischen Nahrungsmittelversorgung unverzichtbar sind – praktisch keine Unterstützung.
Angesichts des bestehenden Grundstücksmarktes inmitten hoher wirtschaftlicher Belastungen und des Krieges wird diese Ungleichbehandlung zu weiteren Landkonsolidierungen
durch große Agrarunternehmen führen.
Der Bericht schlägt zudem Alarm, da die Finanzinstitute die lähmende Schuldenlast der Ukraine als Druckmittel einsetzen, um den Wiederaufbau nach dem Krieg
durch weitere Privatisierungs- und Liberalisierungsreformen in mehreren Sektoren, darunter auch in der Landwirtschaft, voranzutreiben.
3. Friedenszeichen in der Ukraine, Russland, Belarus
Clemens Ronnefeldt stellte dar, welche Friedenskräfte es in der Ukraine und auch in der russischen Föderation gibt, die zu einer Deeskalation beitragen können.
Als Hoffnungszeichen bezeichnete der Referent Oppositionsgruppen in Moskau, den Bezirksrat in St. Petersburg, der Anklage wegen Hochverrats
gegen Präsident Putin erhoben hat, ebenso die Soldatenmütter in St. Petersburg, die russische Kriegsdienstverweigerer beraten.
In der Ukraine verwies der Referent auf eine repräsentative
Umfrage der Universität Kiew aus dem Jahre 2015 – nachdem die Krim bereits annektiert war
und die Kämpfe im Donbas begonnen hatten. Auf die Frage „Was würden Sie im Falle einer ausländischen bewaffneten Aggression gegen ihr Land tun“
hätten 29 Prozent geantwortet, sie würden den zivilen Widerstand in Form von Demonstrationen und Nicht-Zusammenarbeit mit dem Aggressor an die erste Stelle setzen,
24 Prozent entschieden sich für den militärischen Widerstand. Ronnefeldt verwies darauf, dass sich in mehreren Städten etwa in Cherson,
Menschen gewaltfrei den russischen Panzern entgegengestellt hätten.
4. Deeskalationsansätze
In Zeiten des Krieges und der Konflikte spielen Propaganda und Desinformation eine tragende Rolle. Die Manipulation der öffentlichen Meinung kann entscheidend sein,
um Unterstützung für einen Krieg zu gewinnen oder die Feindbilder zu festigen. Lord Arthur Ponsonby (1871-1946) war britischer Staatsbeamter, Politiker, Schriftsteller
und Pazifist. In seinem Buch "Falsehood in Wartime" hat er zehn Grundsätze der Kriegspropaganda identifiziert,
die auch heute noch erstaunlich relevant sind.
Hoffnungsvoll im Blick auf künftige Verhandlungen seien das Zustandekommen eines Getreideabkommen und mehrere gelungene Gefangenen-Austausche.
Der Referent stellte sodann den 4-Stufen-Friedensplan der italienischen Regierung vor: Beginnend mit lokalen Waffenstillständen, die von der UNO oder der OSZE
in entmilitarisierten Zonen zu überwachen seien, solle eine internationale Friedenskonferenz folgen, auf der die Ukraine Sicherheitsgarantien erhalten müsse,
so dass im Gegenzug ein mehrjähriges NATO-Beitritts-Moratorium möglich werde. Direkte Verhandlungen über den Status des Donbas und der Krim könnten folgen.
Zugleich müsse die territoriale Integrität der Ukraine bis zur Gestaltung einer neuen europäischen Sicherheitsarchitektur gewahrt bleiben. Durch eine Reihe
vertrauensbildender Maßnahmen könnte so kurz-, mittel- und langfristig der Krieg deeskaliert und die Gefahr eines dritten Weltkrieges gebannt werden.
„Die Ukraine ist prädestiniert, eine Brückenfunktion zwischen Ost und West zu spielen. Wenn man sie zwingt, mit einer Seite zu gehen,
dann wird es dieses Land zerreißen.“,
so Clemens Ronnefeldt.
Diskussion
Im Anschluss an den Vortrag bestand die Möglichkeit zu Rückfragen und zur Diskussion. Hiervon wurde von den zahlreich anwesenden Gästen aus Lüdinghausen
und aus dem Kreis Coesfeld rege Gebrauch gemacht.
Die Zuhörerinnen und Zuhörer im Saal rief Clemens Ronnefeldt dazu auf, den Opfern beizustehen, ukrainische Geflüchtete in Deutschland
bei Sprach- und Integrationskursen Beistand zu geben und sich mit Leserbriefen einem wachsenden Militarismus in Deutschland entgegen zu stellen.
literarischer Beitrag
Karl-Heinz Kocar las einen kurzen Abschnitt aus dem Buch 'Sewastopoler Erzählungen' von Leo Tolstoi vor, die vom Krimkrieg 1853 bis 1856 handeln.
Der Krimkrieg war ein militärischer Konflikt zwischen dem Russischen Reich unter der Führung des Zaren einerseits und dem Osmanischen Reich sowie
dessen Verbündete Frankreich, Großbritannien und seit 1855 auch Sardinien-Piemont andererseits.
Er begann als zehnter Russisch-Türkischer Krieg, in den die westeuropäischen Mächte eingriffen, um eine Gebietserweiterung Russlands auf Kosten
des geschwächten Osmanischen Reichs zu verhindern. An Verlusten werden auf Seiten der Alliierten rund 220.000, auf russischer Seite 450.000 angegeben.
Unter den Verteidigern von Sewastopol war der Offizier Leo Tolstoi, der seine Erlebnisse in Tagebüchern festhielt. Er brachte in den Jahren 1855/56
drei Erzählungen über den Krimkrieg heraus, die – in der Folge unter dem Titel 'Sewastopoler Erzählungen' zusammengefasst – sehr schnell seine Popularität
in Russland begründeten.
Ihre Bedeutung für die russische Literatur liegt darin, dass sie die bislang üblichen heroisierenden Beschreibungen des Krieges durch eine realistische
und detaillierte Schilderung des Kriegsalltags ersetzen.
musikalischerische Beiträge
Andreas Lobisch, Lehrkraft für Klavier am
Institut für Musikpädagogik
der Universität Münster sowie im
Musikschulkreis Lüdinghausen,
brachte als musikalische Intermezzi zum Thema des Abends passende kleine Werke von Bach,
Vierne und Schubert sowie
auch ein grüblerisch, melancholisches Stück des russischen Komponisten Sergei Rachmaninoff auf dem Flügel zu Gehör.
Er erhielt dafür sehr großen Beifall.
Johann Sebastian Bach / arr. Alexander Siloti: Prélude h-Moll
Sergei Rachmanioff: Prélude gis-Moll op.32 Nr.12
Louis Vierne: Poèmes des Cloches Funèbres - Le Glas
Franz Schubert: Impromptu As-Dur op. 142 Nr.2
Der als Pianist weltbekannt gewordene Alexander Siloti wurde in Charkiw geboren.
Seine Familie hatte italienische Wurzeln und war ein Cousin des russischen Komponisten Sergei Rachmanioff.
Der familiäre Hintergrund und die verwandschaftliche Beziehung beider Musiker zueinander verdeutlicht die Situation,
der sich auch aktuell viele Menschen in der Region ausgesetzt sehen. Zwei Nationen stehen im Krieg wegen des Größenwahns eines Diktators feindlich gegenüber,
deren Menschen sind aber über Generationen miteinander verwachsen und standen in meist guten Beziehungen zueinander. Silotis bezauberndes
Arrangement eines Prélude von Johann Sebastian Bach ist ein friedvolles, mediatives Stück.
Dem gegenüber steht Rachmaninoffs grüblerisches, melancholisches Prélude. Rachmaninoff verließ 1917 mit seiner Familie Russland
infolge der konkreten Bedrohung durch die Folgen der Oktoberrevolution und kehrte nie mehr in seine Heimat zurück.
Den blinden Organisten, Pianisten und Komponisten Louis Vierne traf die Zeit des ersten Weltkriegs hart. Seine zwei Söhne und seine Brüder verloren als Soldaten
im Kampf um Elsass und Lothringen ihr Leben. Die musikalische Dichtung über die Totenglöcken (Le Glas) ist ein Gedenken des Leids und der Toten,
die jeder Krieg auf allen Seiten anrichtet.
Franz Schubert verbrachte sein kurzes Leben in Wien zur Zeit des Metternich-Regimes. Das bekannte Impromptu As-Dur
ist ein Ausdruck von Hoffnung und Zuversicht in Zeiten der Diktatur, in der man die Botschaften über die Geschehnisse der
Französischen Revolution schon bis nach Wien vernahm.
Dank an die Akteure
Norbert Hülsbusch - FI Nottuln
Penelope Glenn - FI Nottuln
Andreas Lobisch - Pianist
Clemens Ronnefeldt - Referent
Karl-Heinz Kocar - AStGuF Lüdinghausen
Video zur Vortragsveranstaltung
Berichte und Leserbriefe in der Zeitung
Bericht der Westfälischen Nachrichten Ausgabe Lüdinghausen / Kreis Coesfeld vom 12.Okt. 2024
Bericht der Westfälischen Nachrichten Ausgabe Lüdinghausen vom 15.Okt. 2024
Leserbriefe in den Westfälischen Nachrichten Ausgabe Lüdinghausen vom 16.Okt. 2024
Leserbrief in den Westfälischen Nachrichten Ausgabe Lüdinghausen vom 18.Okt. 2024
Nach dem Umzug der Arbeitsstelle Gerechtigkeit und Frieden e.V. am 20. Januar 2024 in die neuen Friedensräume in der Blaufärbergasse 6 in Lüdinghausen
stellte der Verein allen Interessierten die neuen Räumlichkeiten vor.
Zugleich informierte er über die Aktivitäten und Zielvorstellungen der verschiedenen Arbeitskreise. Sie stehen unter dem
Leitmotiv "Nachhaltiges Miteinander von Menschen verschiedener Kulturen".
Jeder aus Lüdinghausen und Umgebung, ob jung oder alt, war
herzlich eingeladen.
Zahlreiche Besucher schauten vorbei und waren beeindruckt von den zahlreichen Aktivitäten und Darbietungen:
Programm
Präsentation und Demonstration der jeweiligen Arbeitskreise
Das Quartett ist hervorgegangen aus dem Interkulturellen Ensemble der Musikschule der Stadt Lünen, das im Frühjahr 2023 gestartet ist.
Mit Mohammadreza Mirahmadi an Daf
und Bendir
(iranische Rahmentrommeln mit und ohne Schellen), Majed Mohammad an der kurdischen Bouzouki,
Monika Kutschera am Piano und Birgit Höckensfeld van Dülmen an der Gitarre umfasst das Repertoire der Gruppe sowohl europäische traditionelle Lieder
und Tänze als auch traditionelle Lieder, die im Orient teilweise über Ländergrenzen hinweg in verschiedenen Fassungen gesungen und gespielt werden.
In kleinen Sets von drei bis vier Stücken erreichten die abwechslungsreich arrangierten Stücke mit ihren ungeraden Taktarten, fremden aber melodiösen Melodien
und den ungewöhnlichen Klängen und Spielweisen der Daf und der Bouzouki eine sehr aufgeschlossene Zuhörerschaft.
Am Ende gab es noch einen regen Austausch zwischen den Musikerinnen und Musikern und der Zuhörerschaft.
Für Getränke, Snacks und Kuchen wurde gesorgt
Vielleicht erhielt der Eine oder Andere neugierig Lust, sich künftig am Vereinsleben oder auch in der Musikgruppe zu beteiligen.
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• Reisebericht am 25. März 2024 in den Lüdinghauser Friedensräumen
Israel und die Palästinenser – ein endloser Konflikt?
Einen sehr persönlichen Bericht einer Begegnungsreise nach Palästina von Johannes Gertz (Pax Christi) und Gerd Lange erhielten die 40 Besucher bei einem Friedensgespräch
im neuen Quartier der Arbeitsstelle Gerechtigkeit und Frieden e. V. in der Blaufärbergasse 6.
Die beiden Referenten betonten, dass sie von ihrer Reise im März 2023 berichten wollten, aber keine politische Analyse zur gegenwärtigen Situation
im Nahen Osten anzubieten hätten.
Sie berichteten vom alltäglichen Leben der Drusen auf den Golanhöhen, von wo im „6-Tage-Krieg“ (Juni 1967) 140.000 Syrer vertrieben wurden.
Heute gibt es in dem wasserquellenreichen Gebiet 35 jüdische Siedlungen und fünf drusische Dörfer.
Sie lernten im israelischen Nazareth eine Initiativgruppe kennen, die palästinensische Frauen darin unterstützt,
im jüdischen Staat für ihre Rechte zu kämpfen, und die klar für die Zwei-Staaten Lösung eintreten.
Sie erfuhren in Ramallah, dass es im Westjordanland 28 Sondergesetze für Nicht-Juden gibt, und in einem Beduinencamp südlich von Hebron wurde ihnen gesagt,
dass 700.000 jüdische Siedler mit ihren Viehherden immer mehr palästinensischen Weide- und Ackerraum für sich beanspruchen.
Erschütternd war es für Gertz und Lange einzusehen, dass die Beduinenkinder, von denen sie so freundlich begrüßt wurden, kein Leben in Würde werden führen können.
Bei Bethlehem besuchten sie ein privates Friedensprojekt (international bekannt als „Tent of Nations“).
Es wird von der Familie Nassar geleitet und empfängt internationale Besucher, Freiwillige und Workcamps.
Die Familie Nassar betreibt einen Weinberg und muss damit leben, dass die Zufahrt mit großen Felsblöcken versperrt ist.
Unzählige Male wurde das Tent of Nations schon angegriffen, tausende von Rebstöcken und Olivenbäumen wurden zerstört.
Die Familie Nassar sei mehrfach mit dem Tod bedroht worden. Trotzdem wollen sie nicht hassen, da Hass nur sie selbst zerstöre.
Ihr christlicher Glaube stärke sie in dieser Haltung. Als Gertz und Lange am Ort waren, pflanzten gerade 25 internationale Studenten aus Jerusalem 150 Olivenbäume.
Ein ähnliches Zeichen der Hoffnung gibt Fatima Thweib, die sich um behinderte Menschen kümmert, die von palästinensischer Seite keinerlei Unterstützung erhalten.
Fatima Thweib wurde in einem Zelt in der Wüste als Tochter eines Beduinenscheichs geboren – märchenhaft. Ihr Leben verlief jedoch nicht wie im Märchen.
Was sie leistet, ist deshalb erstaunlich: Sie setzt sich im Westjordanland für Menschen mit Behinderung ein.
Im Kinderheim 'La Creche' (die Krippe) in Bethlehem kümmern sich libanesische Ordensschwestern um Kinder,
die in der muslimischen Welt nicht erwünscht sind, weil sie die „Ehre“ einer Familie beschädigt haben. Es sind Kinder,
die aus nicht erlaubten Beziehungen stammen,
vielfach innerhalb der Familie oder außerehelich gezeugt worden waren. Viele sind auf der Straße aufgelesen, vor die Tür gelegt oder im Müll ausgesetzt worden.
Die palästinensische Autonomiebehörde verweigert dieser christlichen Einrichtung jede finanzielle Unterstützung, verlangt, dass die Kinder arabische Vornamen erhalten
und verbietet eine christliche Unterweisung. Wenn sie das 6. Lebensjahr erreicht haben, müssen sie die Krippe verlassen. Manche wechseln bis zur Volljährigkeit in ein SOS-Kinderdorf.
In Jerusalem sprachen Gertz und Lange mit der christlichen
Palästinenserin Sumaya,
die für die Fahrt von ihrem Wohnort Ramallah (28 km)
dorthin heute drei Stunden gebraucht hat, da sie an drei Checkpoints von israelischen Besatzungssoldaten kontrolliert worden war.
Sumaya glaubt, dass die Politik Israels und der palästinensischen Autonomiebehörde die Gegensätze verfestigen wollen.
Aber auch die Palästinenser seien tief gespalten, die Korruption sei unermesslich.
Nach dem Tod von Präsident Abbas, der einen moderaten Umgang mit Israel anstrebe, sei mit blutigen Kämpfen um seine Nachfolge zu rechnen.
In dem durch israelische Siedlungen zerstückelten Westjordanland wurden Gertz und Lange Zeugen einer Realität, die in Deutschland oftmals wenig bekannt ist.
Die Bilder, die sich Ihnen boten, erschütterten sie zutiefst. Menschen berichteten ihnen über die Zerstörung von Häusern, Zwangsräumungen und Demütigungen der Palästinenser.
Die müssten z.B. wegen neuer Siedlungen weite Umwege zurücklegen, da sie nicht alle Straßen benutzen dürften.
Auf ihrer Reise haben die Referenten Gertz und Lange israelische und palästinensische Menschen in Projekten und Begegnungsstätten besucht,
die sich allen Drohungen, Angriffen und Zerstörungen zum Trotz
gewaltfrei für Frieden, Versöhnung und Verständigung engagieren. Nach dem Motto: `Wir weigern uns, Feinde zu sein´. Ein Hoffnungsschimmer?
„Wir weigern uns, Feinde zu sein!“
Die Zuhörer waren insgesamt äußerst beeindruckt von den Ausführungen der beiden Referenten und brachten dies in der anschließenden Diskussion zum Ausdruck.
Sie beteiligten sich zudem an einer reichlichen Spendensammlung. Die Gelder sind bestimmt für zwei der vorgestellten Initiativen:
das Kinderheim 'Créche' (Krippe) in Bethlehem und
das Projekt 'Tent of Nations' auf dem Weinberg der Familie Nassar.